Beratung mit Haftungsrisiko? Warum die DRÜ für Vermittler rechtlich relevant wird

Mit der Einführung der Digitalen Rentenübersicht (DRÜ) stellt sich für Versicherungsvermittler eine zentrale Frage: Sind sie künftig verpflichtet, die Daten aus der DRÜ aktiv in ihre Beratung einzubeziehen? Aeiforia hat diese Fragestellung aufgegriffen und ein Kurzgutachten bei der auf Versicherungsrecht spezialisierten Kanzlei Wirth Rechtsanwälte in Auftrag gegeben.
Im Zentrum des Gutachtens stehen drei praxisrelevante Fragen:
- Ist ein Versicherungsvermittler bei der Vermittlung einer Versicherung, die dem Zweck der Altersvorsorge dient, verpflichtet, die Ergebnisse der Digitalen Rentenübersicht (DRÜ) seines Kunden in den Beratungsprozess einzubeziehen?
- Ist es ausdrücklich geboten, die Daten aus der DRÜ (als objektive Informationsquelle) abzurufen oder verletzt der Vermittler seine Pflichten, wenn er auf die Aussage seines Kunden oder auf nicht mehr aktuelle Unterlagen vertraut?
- Ist der Vermittler grundsätzlich verpflichtet, im Beratungsprotokoll auf die Inhalte und Ergebnisse der DRÜ einzugehen und kann er ggfs. nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden darauf verzichten?
Ziel des Gutachtens ist es, zu klären, ob und in welchem Umfang sich aus der DRÜ neue Sorgfaltspflichten, Fragepflichten sowie haftungsrelevante Anforderungen für Vermittler und Makler ergeben. Dabei stehen insbesondere die gesetzlichen Pflichten nach § 60 ff. VVG im Fokus.
Beratungspflicht und Haftungsrisiken: Wie die DRÜ zur rechtssicheren Grundlage wird
Das Gutachten macht deutlich: Da die DRÜ Informationen bereitstellt, die für die objektive Bedarfsermittlung bei der Vermittlung einer Altersvorsorge-Versicherung zwingend notwendig sind, erstreckt sich bei Versicherungsmaklern die Fragepflicht gem. § 61 Abs. 1 S. 1 VVG auch auf diese in der DRÜ zusammengefassten Informationen. Für Versicherungsvertreter besteht die Pflicht zur Bedarfsermittlung jedoch nur im Ausnahmefall, z. B. wenn der Versicherungsnehmer den Wunsch nach Hilfestellung bei der Bedarfsermittlung äußert oder dessen persönliches Risikoprofil oder individuelle Situation einen besonderen Anlass bieten, auf einen bestehenden Absicherungsbedarf hinzuweisen. (vgl. Dörner in Prölss/Martin, 62. Auflage, VVG, § 61 Rn 12.) Zwar besteht keine gesetzliche Verpflichtung, diese Daten zwingend über die DRÜ zu beziehen, ihre Nutzung bietet jedoch eine verlässliche, standardisierte und haftungssichere Grundlage für die Beratung.
Verlässt sich der Vermittler ausschließlich auf mündliche Aussagen oder veraltete Unterlagen des Kunden, kann dies als Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gemäß § 61 VVG gewertet werden – mit möglichen haftungsrechtlichen Folgen. Die DRÜ schafft hier eine valide Informationsbasis, um Beratungsfehler zu vermeiden.
Auch für die Beratungsdokumentation gelten klare Anforderungen: Zwar müssen die Inhalte der DRÜ nicht im Detail wiedergegeben werden, doch ist es empfehlenswert, die wesentlichen Erkenntnisse daraus zu dokumentieren. So kann der Vermittler belegen, dass er den individuellen Absicherungsbedarf fachgerecht geprüft und seine Empfehlungen nachvollziehbar begründet hat.
Mit der verpflichtenden Anbindung weiterer Versorgungseinrichtungen bis Ende 2024 ist die Digitale Rentenübersicht zu einer zunehmend vollständigen Datengrundlage geworden – und damit auch zur realistischen Erwartung an eine zeitgemäße Vorsorgeberatung.