Die Klagewelle rollt an – Krankenkassen verklagen den Bund auf 10 Mrd. Euro
Hintergrund zur Klage
In Deutschland erhalten erwerbsfähige Personen vom Staat Bürgergeld nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende), wenn sie hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig bedeutet, dass ihr Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Das Bürgergeld ist eine staatliche, steuerfinanzierte Fürsorgeleistung zur Sicherung des Existenzminimums. Dazu gehört auch die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung. Mit dieser Aufgabe hat der Bund die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beauftragt. Die GKV erfüllt damit eine Aufgabe, die in die alleinige Verantwortung des Bundes fällt, bekommt über die staatlichen Beitragszahlungen die entstehenden Kosten des Versicherungsschutzes für Bürgergeldbeziehende aber nur zu einem Drittel finanziert.
Dies stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger zu organisatorischer und finanzieller Selbstständigkeit aus Art. 87 Abs. 2 GG (in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) dar. Zugleich liegt ein Verstoß gegen die strenge Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen vor, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden dürfen.
Klagegegenstand sind die seit Mitte November ergehenden Bescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026. Aufgrund der zu niedrigen Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbeziehenden fallen diese Bescheide für alle gesetzlichen Krankenkassen zu niedrig aus.
Praktisch ist es so, dass die einzelnen Krankenkassen den GKV-Spitzenverband mit der Klageführung beauftragen und der GKV-Spitzenverband im Auftrag und im Namen dieser Kassen jeweils einzelne Klagen einreicht. Beklagt wird die Bundesrepublik Deutschland, die durch das BAS vertreten wird. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (§ 29 Absatz 3 Nr. 1 SGG).
Ziel ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der systematischen Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung von gesetzlich versicherten Bürgergeldbeziehenden. Hierzu wird der GKV-Spitzenverband vor dem Landessozialgericht eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht anregen, also ein Verfahren vorschlagen, bei dem das Landessozialgericht als Fachgericht eine gesetzliche Regelung, die für seine Entscheidung maßgeblich ist, für verfassungswidrig hält und die Gültigkeit dieser Regelung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt.

